Mehr Tore – aber trotzdem verloren!

[WR] Am Dienstag, den 8.3.2022 wurden zwei Windenergieklagen des NABU vor dem Verwaltungsgericht verhandelt. Die eine betraf eine Anlage an der Kreisgrenze zu Bad Wünneberg und wurde gewonnen. Die andere Klage betraf eine Anlage bei Niedermarsberg. Dieses Verfahren ging jedenfalls in dieser Instanz verloren.

Der NABU hatte in Kooperation mit uns auch den zweifelhaften Fledermausschutz durch Gondelmonitoring thematisiert. Denn wir können sicher nachweisen, dass Fledermäuse auch bei mehr als 6 m/s Windgeschwindigkeit fliegen und die Anlagen in der Monitoringphase dann bereits wieder in Betrieb gehen. Das Ergebnis war für die Fledermäuse enttäuschend.

Der Hochsauerlandkreis hat im Laufe des Verfahrens die Artenschutzauflagen mehrfach nach geschärft. Darauf bezieht sich die Überschrift. Gleichwohl ist der NABU an der Schlussfassung des Bescheides dann aber trotzdem gescheitert. Nur ein Aspekt von vielen: Aus der Presse ist bekannt, dass sich NABU und VNV für ein Vogelschutzgebiet stark machen. Das Gericht hatte eine Stellungnahme des LANUV eingeholt. Das befürwortet grundsätzlich die Einrichtung des VSG. Zu den „wertgebenden“ Arten gehören nach Ansicht des LANUV u.a. der Raubwürger und der Neuntöter. Einverstanden! Aber dann zeichnet das LANUV die Grenze der Gebietskulisse so, dass angrenzende Reviere außerhalb des künftigen VSG liegen. Diese seien für das Vorhaben nicht relevant. Uff, das LANUV hat gesprochen! Das Gericht übernahm wohl, was das LANUV als herrschende fachwissenschaftliche Meinung darstellte. … trotz des inneren Widerspruchs.

Prof. Dr. Gellermann hatte in beiden Verfahren unsere Auswertung des Fledermaus-Monitorings für HSK-Anlagen schriftlich eingeführt, und wegen der Marsberger Höhlen/Stollen in diesem Verfahren vertieft diskutiert.  Schlussendlich hat er den HSK gefragt, wie die Beklagte an der anfänglichen Anlaufwindgeschwindigkeit / Cut-in-Windgeschwindigkeit gemäß Leitfaden, den besagten 6 m/s festhalten könne, wenn sie aufgrund eigener Erkenntnisse wisse, dass sie regelmäßig noch oben korrigieren müsse.
HSK: Schweigen!
Vorsitzender: „Dazu sei das Monitoring schließlich da.“
Prof. Gellermann’s Hinweis an das Gericht verfing offenbar nicht. Man dürfe sich nicht von unten nach oben, sondern müsse sich top-down an die richtige Anlaufwindgeschwindigkeit heran tasten. Andernfalls nehme man hin, dass Fledermäuse während der Monitoringphase geschreddert werden. Hätte der Fledermaus-Einwand verfangen, wäre die Klage wegen Niedermarsberg zumindest nicht komplett abgewiesen worden. Mal sehen, was in der schriftlichen Urteilsbegründung stehen wird.

Das Bundesverfassungsgericht hat zwar die Beurteilungsprärogative, d.h. den normsetzenden Charakter der Artenschutzleitfäden kassiert. Na gut! Aber gleichwohl erlebt die kassierte Beurteilungsprärogative eine Wiedergeburt unter neuem Namen. Sie heißt jetzt Wiedergabe der fachwissenschaftlichen Meinung. Mir gruselt, wenn ein Gericht nicht versteht, dass man sich top-down an die richtige Anlaufwindgeschwindigkeit heran tasten muss.